Jimi Hendrix, der Mozart des 20. Jahrhunderts.

Es gab das Woodstockfestival im Ufa Kino am Grindel in Hamburg auf der Großbildleinwand. Ich war drinn, drinn und weg. Mein Ding wurde „Star Sprangled Banner“ und der Blues danach. Erst später bekam ich mit das Jimi in Woodstock dazwischen noch Purple Haze gespielt hatte. Die Scheibe war bald in meinem Besitz.

1970 Zwei Tage nach meinem Geburtstag hatte ich extra die Schule geschwänzt um zum Love and Peace Festival zu kommen.

Als wir auf dem Festivalgelände ankamen regnete es und es regnete als wir wieder abfuhren. Die Organisatoren hatten Hells Angels als Ordnungspersonal engagiert, oder besser gesagt mussten sie. Sonst hätten die das Festival gleich platt gemacht, was sie am dritten Tag dann auch taten. Dies nicht zu Unrecht, da die Veranstalter mit der Kasse durchgebrannt waren. Sie steckten die Bude der Organisatoren in Brand.

Die Moderation machte Alexis Corner mit Bluesstandards, Henning Venske mit dummen Sprüchen. Viel gab es nicht zu sehen auf Grund des Regens. Wegen des Windes noch weniger zu hören.

Sly and the Family Stone hatten eine Anlage auf der Bühne, die aussah wie ein Blick in die Haushaltsmaschinenabteilung eines Kaufhauses. „We want to take you higher!“ So richtig hoch brachte mich das auch nicht. Dafür der Dauerregen weiter runter. Canned Heat trat ohne Blind Owl auf. Man hatte ihn einige Tage vor dem Festival tot in seinem Schlafsack gefunden. Vermutung: Überdosis.

Am dritten Tag endlich, so lange wollte ich einfach durchhalten sollte Jimi Hendrix auftreten. Hinter und auf der Bühne regierte King Chaos. Niemand wusste wer wann und ob überhaupt jemand auftrat. Alexis Corner versuchte immer noch das Publikum bei Laune zu halten. Die Nervosität übertrug sich auf alle. Mein Bruder hatte eine lausige Kamera dabei und einen nervigen Kameraden, der dummes Zeug über Musik redete. Von oben Regen. Dann endlich Jimi kam doch. Ich versuchte so dicht wie möglich an die Bühne zu kommen. Auf den Fotos hätte sonst wer stehen können. Lausig klein. Ich kam nicht dicht genug heran. Den Sound zerfetzte der Dauerwind. Ich begriff nicht was er spielte.

Abflug vom Festival. Auf der Rückfahrt machte auch noch Fritz Käfer schlapp.

Nach dem Festival wurde es mein Celebration. Nach jeder Fete in unserer WG, wenn ich so richtig down, besoffen und bekifft war kam die Woodstockscheibe auf den Teller. Regelmäßig stand ich irgendwann nackt im Zimmer und schmiss Gläser in die Zentralheizungskörper bis Jimis letzter Ton verklungen war. Danach verzog ich mich völlig erschossen ins Bett, während dessen sich meine Freundin von irgendjemand bumsen ließ.        Die Freundin ging und Jimi blieb.

Das muß man sich mal richtig geben. Am besten mit Kopfhörern, so dass einem nicht ein Knackser entgeht. „Star Sprangled Banner!“ Abgefahren! Vergesst das es sich um die amerikanische Nationalhymne handelt. Das ist ein Requiem! Wie Jimi aus dem Soundmeer die Töne modelliert, Dieses stürzen in Chaos immer wieder aufstehen, weiter machen, Wieder der Sturz in Schmerz, Verzweiflung, der Kampf um Licht und Sonne. Selbstzerstörerisch, phönixgleich auferstehen, ganz zum Schluss unter Schmerzen das Ziel erreicht dieses „Es ist vollbracht“ und dann, glaubt ja nicht es ist das Ende, dieser Blues hinterher. Das ist nicht mehr von dieser Welt. Das ist wie eine Erlösung „In deine Hände Vater befehlige ich meinen Geist“, wie eine letztendliche Befreiung, ein Ausatmen der Seele. Ich höre es noch und schon wieder „See you next world, but dont be late!“

Den möchte ich sehen, der die Größe und den Mut besitzt, das mal für großes Orchester umzusetzen. Nicht die lausigen Interpretationen eines Nigel Kennedy. Wer in sein Instrument beißt hat Hendrix noch lange nicht begriffen. Ich habe Interpretationen auf Cello gehört. Der Musiker war am Ende vom Schweiß getränkt und sein Bogen hatte kaum noch ein gespanntes Haar. das war gar nicht übel, aber es geht noch viel mehr.  Dann kapiert hoffentlich auch der letzte, das Jimi Hendrix sein selbstgestecktes Ziel erreicht hat, die klassische – mit der Rockmusik zu verbinden. Es ist unter anderem die kongeniale Fähigkeit von Jimi Hendrix und Mozart Töne, Melodien nicht zu spielen, sondern zu modellieren, so ganz belanglos, so nebenbei völlig „verspielt“. Hendrix und hinterher Mozart  oder umgekehrt. Die Arie der Pamina aus der Zauberflöte, einen Blues von Hendrix. Wem da nicht die Tränen in die Augen kommen der tut mir leid. Wenn ich daran denke durchläuft mich ein heiliger Schauer.

Aus „Auf meinen Spuren“ von Frank Radmacher

Mit freundlicher Genehmigung des Autors